Führen

Unser Hund Yari ist zarte 7 Monate alt und gibt klar zu verstehen, dass er, als geborener Leithund, seine Aufgabe, zu führen, sehr ernst nimmt. Gewissenhaft bellt er sämtliche potenzielle Gefahren unermüdlich an und hört erst auf, wenn die aus dem Blickfeld verschwunden sind. Das fordert Sascha und mich immer wieder ganz schön heraus. Gerade, wenn er wie verrückt Menschen anbellt, ist mir das auch sehr unangenehm. So locker mit jemandem ein Gespräch zu führen ist unmöglich. Ich habe schon einiges versucht. Beschwichtigt, in dem ich ihm gut zugeredet habe, mit Gudelis abgelenkt, dann hart zu verstehen gegeben, dass das nicht geht und den Situationen ausgewichen. Nichts hat wirklich gefruchtet. Dann kam der Tag, an dem er mir zweimal ausgerissen ist. Das zweite Mal gar über eine halbe Stunde. Auf dem langen Spaziergang, den wir mit ihm machten, war er total aufgekratzt, hat die ganze Zeit gebellt. Ich war fix und foxi, wütend, frustriert, hilflos und glaubte, dass wir das nie mehr hinkriegen würden. Am nächsten Tag stand ich wieder ein bisschen missmutig auf, das alles wirkte immer noch in mir nach. Nachdem ich erstmals ausgiebig draussen war, freute ich mich auf den Spaziergang mit Yari. Meine Stimmung erhellte sich mit jedem Schritt mehr und ich schaute liebevoll zu Yari, der brav hinter mir her trottete. Ich spürte unsere Verbindung und auch, wie wichtig es ist, diese Verbindung stets zu halten. Wenn er stehen blieb, schaute ich, was er da Interessantes gefunden, gerochen oder gesehen hat. Ich nahm Anteil und das stärkte die Verbindung zusätzlich. Ich spürte meine Freude und Liebe für diesen Hund, der mir so viel über mich lehrt und mich so herausfordert. Ich spürte Dankbarkeit. Und das Interessante war, dass ich auch klar fühlen konnte, dass ich führe und dabei nicht hart werden muss, dass ich auch freudvoll und verbunden diese Führung  beanspruchen kann. Ja, dass das sogar viel besser geht, als wenn ich mir vorstelle, dass ich hier nun der Chef bin und den immer wieder markieren muss. Yari schien sich völlig abgeholt zu fühlen, er bellte kaum und schien an meiner freudigen, entspannten Energie anzudocken. Und das ist jetzt ja alles nichts Neues, auch für mich nicht, das wusste ich theoretisch ja schon längst, schliesslich ist das mit Kindern nicht anders, bloss war es diesmal so fühlbar, ich realisierte auf einmal, dass ich mich, um Chef zu sein, nicht abspalten und verlassen musste, sondern dass ich freudvoll in Liebe und Verbundenheit Grenzen setzen kann. Das kam einfach so tief in mir an, obwohl es sämtlichen Erfahrungen, die ich als Kind machen durfte, widerspricht.